ceci n’est pas dada
Im Februar 1916 eröffneten Hugo Ball und Emmy Hennings gemeinsam mit Tristan Tzara, Richard Huelsenbeck, Raoul Hausmann, Hans Arp und Marcel Janco in Zürich das Cabarét Voltaire. Die vor dem Chaos des Weltkrieges geflüchteten KünstlerInnen entwickelten und perfektionierten das System DADA.
DADA steht für die kreative Irrationalität gegen die Rationalität der Aufmarschpläne, für Chaos gegen die kriegstreiberische Ordnung, für Sinnlosigkeit gegen die sinnentleerte Kriegsrealität, für Sprachverweigerung gegen die herrschende Militärsprache, für Aktion gegen den Massenmord. DADA revitalisierte das Nonsensegedicht, erfand das Lautgedicht, das Happening und die Antikunst gegen eine Kunst, die sich den herrschenden Regeln und Normen der Gesellschaft angedient und unterworfen hatte. DADA bietet keine Theorien, keine Rezepte, keine Lösungen, DADA ist der Protest und die Verweigerung an sich. DADA ist kreativ, verrückt und befreiend, macht Spaß, ist anarchistische Unterhaltung und ignoriert (fast) alle Regeln.
„DADA wurde in einem Lexikon gefunden, es bedeutet nichts. Dies ist das bedeutende Nichts, an dem nichts etwas bedeutet. Wir wollen die Welt mit Nichts ändern, wir wollen die Dichtung und die Malerei mit Nichts ändern und wir wollen den Krieg mit Nichts zu Ende bringen.“ (Richard Huelsenbeck, im Cabarét Voltaire, Frühjahr 1916)
„Was wir DADA nennen, ist ein Narrenspiel aus dem Nichts, in das alle höheren Fragen verwickelt sind; eine Gladiatorengeste; ein Spiel mit den schäbigen Überbleibseln; eine Hinrichtung der posierten Moralität und Fülle“ (Hugo Ball, Die Flucht aus der Zeit, 12.6.1916)
„Der DADAIST kämpft gegen die Agonie und den Todestaumel der Zeit. Er weiß, dass die Welt der Systeme in Trümmer ging, und daß die auf Barzahlung drängende Zeit einen Ramschausverkauf der entgötterten Philosophie eröffnet hat.“ (Hugo Ball, Die Flucht aus der Zeit, 12.6.1916)
„Dass das Bild des Menschen in der Malerei dieser Zeit mehr und mehr verschwindet und alle Dinge nur noch in der Zersetzung vorhanden sind, das ist ein Beweis mehr, wie häßlich und abgegriffen das menschliche Antlitz geworden ist. Der Entschluß der Poesie, aus ähnlichen Gründen die Sprache fallen zu lassen, steht nahe bevor.“ (Hugo Ball, a.a.O., 5.3.1916)
„Ich habe eine neue Gattung von Versen erfunden, ,Verse ohne Worte‛ oder Lautgedichte. […] Man verzichtet mit dieser Art Klanggedichte in Bausch und Bogen auf die durch den Journalismus verdorbene Sprache und zieht sich in die innerste Alchimie des Wortes zurück. Man bewahrt so der Dichtung ihren letzten heiligen Bezirk.“ (Hugo Ball, a.a.O., 23,6., 24.6.1916)
DADA ist die Befreiung der Kunst aus selbstverschuldeter Abhängigkeit. DADA lebte nach dem Ersten Weltkrieg weiter in Wien, Berlin, Köln, Paris, New York. DADA wurde wegweisend für die Wiener literarische Moderne nach 1945: die Wiener Gruppe, Ernst Jandl, Friederike Mayröcker.
Unsere Aufführung unternimmt den Versuch, den Geist eines DADA-Abends im Cabarét Voltaire zu rekonstruieren. Wir präsentieren DADA-Manifeste, Gedichte, Lautgedichte, Polemiken und Szenen aus den Jahren 1917 bis 1923. Die Musikstücke von Erik Satie, dem bedeutendsten Musiker der DADA-Bewegung, hat Paul Wexberg ausgewählt. Die musikalischen Kommentare auf der Viola da Gamba sind (mit einer Ausnahme!) Impro-Kompositionen von Karl Wilhelm Krbavac.